Eine Woche vor Wahnsinn. Höchste Zeit, einen Probealarm durchzuführen. Denn der capt’n, der die vorweihnachtlichen Atomkriegsvorbereitungen verachtet und so gut es geht vermeidet, hatte einen kapitalen Fehler gemacht, und in der letzten Zeit den Kühlschrank, den Gefrierschrank und alle anderen Schränke leergefressen. Was ihn dazu nötigte, gezwungenermassen am galoppierenden Irrsinn teilzunehmen. Er nahm also seinen meterlangen Einkaufszettel, um sich in die Hausfrauenrallye einzusortieren.
Doch beginnen wir am Anfang. Der Anfang fand heute um sieben in der früh statt, als der capt’n frisch wie der junge Morgen übellaunig erwachte von mehreren Weckern aus seinem Schlummer gerissen wurde. Denn er hatte einen Notfall-Plan. Er wollte so früh wie möglich irgendeinen Riesensupermarkt stürmen, einen als Einkaufswagen verkleideten Tieflader nehmen, und mit beiden Händen solange alles aus den Regalen hinein schaufeln bis er sicher war, die Vorräte aufgestockt zu haben.
Während er jedoch mit der Zahnbürste in der Klappe die tief schlafende Kaffeemaschine aus dem standby holte, kam ihm völlig unnötigerweise eine grenzgeniale Idee. Und mit seinem ersten Kaffee bewaffnet setzte er sich an den Schreibtisch, um ’nur eben schnell‘ diese Kleinigkeit zu erledigen. Als er das nächste mal auf die Uhr blickte war es 13:30 Uhr. Er hatte mehrere Kleinigkeiten ‚mal eben schnell‘ erledigt – war dadurch jedoch leider komplett aus seinem Plan gespielt worden.
Nachdem sowohl die Innenstadt, wie auch die Stadtgrenzen von Nürnberg ab 10 Uhr vom Militär abgeriegelt sein sollten (zumindest nahm er an, dass dies der einzig sinnvolle Weg sein könnte, der Menschenmassen irgendwie Herr zu werden), begab er sich auf die Rallye durch ein halbes Dutzend Läden, die jeder ein bisschen von dem haben, was er typischerweise haben will.
Auf dem Rückweg aus dem ersten Laden zum Auto stellte er fest, dass der Kofferraum noch weitgehend gefüllt war mit irgendwelchem Zeug vom letzten Einsatz.
Auf dem Rückweg aus dem zweiten Laden zum Auto stellte er fest, dass in den Fussraum des Beifahrers weniger Tüten passen, als er annahm.
Auf dem Rückweg aus dem dritten Laden zum Auto stellte er fest, dass weisse Sitze rein einkaufstechnisch vielleicht nicht in jedem Fall die optimale Wahl sind.
Auf dem Rückweg aus dem vierten Laden zum Auto stellte er fest, dass das Öffnen des Verdecks zwar hilfreich wäre, aber Petrus gewisse nachdrückliche Einwände dagegen hatte.
Auf dem Rückweg aus dem fünften Laden zum Auto stellte er fest, dass er eigentlich auch noch Getränke bräuchte.
Auf dem Rückweg aus dem sechsten Laden zum Auto stellte er fest, dass es ein von sämtlichen Autoherstellern komplett übersehenes Segment ‚Doppelachs-Transporter-Cabrio‘ gibt, zu dessen Zielgruppe er gehören würde.
Parallel stellte er fest, dass Postfilialen Samstags ab eins wegen Reichtums geschlossen haben. Oder weil sie in Zalando-Rücksendungen ersaufen.
Der vierte Adventssamstag ist übrigens der ideale Tag, Azubis zum ersten mal an die Kasse zu setzen. Soziologen können Experimente im Gruppenverhalten machen, die ihnen sonst unmöglich sind, da nie genug Menschen auf einem Haufen sind, während Naturwissenschaftler untersuchen können, ob das Ende der Schlange nur wegen der Erdkrümmung hinter dem Horizont verschwindet.
Sein Einkaufszettel ist nur noch halb so lang. Er schleppt seit einer halben Stunde Haselnüsse in seinen Bau. Und sobald das Brennen in seinen Muskeln nachgelassen hat, wird er den Kofferraum auspacken. Anschliessend wird er dann frühstücken. Also vermutlich zeitgleich mit den Spätnachrichten.