Flaschenhalter im Auto sind toll. Ob nun fest in die Konsole montiertes Loch (in dem sich immer eine Mischung aus Komposthaufen und Speisekarte der letzten Wochen befindet, garniert mit ein paar Euros für die Parkuhr) oder auf Druck ausfahrbare Halter (die man immer dann ersetzen lassen muss, wenn Oma sie für einen Griff gehalten hat, der ihr beim Aussteigen hilft), diese kleinen Plastikdinger sind besser als ein Bausparvertrag. Die Raten tun nicht weh und irgendwann hat man mit dem Pfandgut ein Sümmchen zusammen, mit dem man fast tanken kann.
Der capt’n hatte sich daran gewöhnt, dass sein Wasser oder seine Coke im Winter übernacht in den Flaschen zu einem kompakten Klotz fror, der frühestens kurz vor Ende einer mehrstündigen Fahrt wieder flüssig wurde.
Woran er sich nicht mehr richtig erinnerte war die Tatsache, dass kochendes Wasser und kochende Coke seltsam schmecken.
Und so fährt der capt’n mal wieder einen ganzen Zoo halbvoller Fläschchen spazieren, die hinter den Vordersitzen lustig vor sich hin rollen und klappern, weil er ständig an irgendeiner Tanke eine neue, volle Flasche erwirbt … um sie kurz aufkochen zu lassen.
Wie er heute auf der Landstrasse verträumt seiner halbvollen Coke zusah, wie sie sanft im Halter schaukelnd dem dritten Aggregarzustand entgegen strebte beschloss er, heute etwas anders zu machen.
Und fuhr, statt an der Tanke zu halten, ein Dorf weiter auf dem Weg zum makroidiotischen Bauernhof mit artgerechter Tomatenhaltung, philantropischer Hühnerzucht und Qi-Gong-Kartoffelfeld – mit anderen Worten zum Artenschutzgebiet für Berufshausfrauen.
Mit Auto statt Fahrad, schwarzer Hose statt Batikrock, schwarzen Schuhen statt offenen Sandalen, Dudelpop absondernden Schnürsenkeln im Ohr, ohne Hut aber mit Sonnenbrille kam er sich ein bisschen vor wie der einzige Zeuge im Land der Amish. Um nicht ganz so furchtbar aufzufallen, schnappte er sich am Eingang reflexartig einen Henkelkorb, um seine Beute zu verstauen.
Während er noch interessiert feststellte, dass die Leute 20 Kilometer vom Raumdock entfernt so vollkommen anders aussehen als er, marschierte der capt’n flott in Richtung des riesigen Erdbeerfelds. Dort angekommen stellte er fest, dass die örtliche Müttergruppe dort schon angekommen war.
Gerade als er sich hinknien wollte, um das rote all-you-can-eat-Buffet zu eröffnen, erhaschte er zufällig die Unterhaltung mehrerer Frauen, die sich – betont freundlich – über Vor- und Nachteile der einzelnen Erdbeersorten austauschten.
Er beschloss, sich dieser Kultur nicht vollkommen veschliessen zu wollen, stellte sich mit seinem eingeübten ratloser-Mann-in-der-Gemüseabteilung-Blick dazu, und wurde sofort in den Kreis integriert:
Ah, junger Mann, sagen Sie doch mal, welche schmeckt Ihnen besser, die ‚Florence‘ oder die ‚Elsanta‘ ?
Ähm äh, ja warten Sie mal, da muss ich erst mal probieren. Bin gleich wieder da.
Während er sich nacheinander in die Rabatten bückte und mindestens ein Exemplar jeder Sorte probierte riefen sie ihm nach:
Sie müssen auch die weiter links probieren! Nein, noch eins weiter!
Tapfer kämpfte der capt’n sich durch die Rabatten. Während die Amishfrauen ihre Henkelkörbe in der Zwischenzeit randvoll füllten, stand der Korb des capt’ns völlig leer am Rand des Felds.
Na, welche sind die besten? fragte die Rudelführerin, als er zurück kehrte.
Der capt’n empfand, dass Erdbeeren nach den ersten zwei Pfund alle irgendwie ziemlich gleich erdbeerig schmecken und würfelte.
Naja – börps – die vorletzten sind glaube ich die fruchtigsten.
Siehst Du Elsa, der junge Mann findet die Gartenerdbeeren auch am besten, habe ich Dir doch gesagt.
*aha, Gartenerdbeeren, na von mir aus *
Ach, haben Sie denn auch schon die Polka probiert ? meinte Elsa.
Hmmmh ???
Als der capt’n blöd guckte und befürchtete, von den Amishfrauen erst adoptiert, und dann zu landestypischen Tänzen gezwungen zu werden, hielt ihm Elsa eine Erdbeere aus ihrem Korb hin.
Da, probieren Sie mal, Polka!
Während er noch erleichtert kaute, hielt ihm die Rudelführerin die nächste Gartenerdbeere aus ihrem Korb vors Gesicht, um dagegen zu halten. Als sich die anderen beiden Frauen auch noch einmischten, wurde der capt’n zwangsernährt und kaum noch damit nach, die hingehaltenen Erdbeeren verschiedener Sorten in sich hinein zu stopfen und die Vorzüge jeder Sorte zu loben. Er hatte längst den Überblick verloren, wer wer war, und welche Sorte er bevorzugte.
Geschätzte fünf Minuten später hatte er die übliche Jahresration Erdbeeren im Bauch, einen leeren Henkelkorb, fühlte sich aber auch nicht mehr dazu in der Lage sich zu bücken, ohne kleine Erdbeerstückchen von sich zu geben. Sein Durst war komplett vergangen.
Daher verabschiedete er sich freundlich, marschierte mit dem leeren Henkelkorb wieder zurück zum Eingang … und kaufte zwei Pfund fertig gepflückter Erdbeeren (und bezahlte drei) … die dem Kofferraum seines Raumschiffs auf dem Weg ins Raumdock den Duft einer Erdbeerplantage gaben … woraufhin er sie *wörps* den glücklicherweise anwesenden Nachbarskindern schenkte.