Erinnern Sie sich noch an damals ™ ? Damals, das war die Zeit, wo 50 gröhlende Bälger morgens in einen Bus gesteckt wurden. 50 dankbare Mütter hatten ihre Blagen zu nachtschlafender Zeit mit Leberwurstbroten, hartgekochten Eiern und dem unvermeidlichen Apfel (‚Kind, Du brauchst doch was gesundes!‘) ausgestattet, in eine Ganzkörperregenjacke gesteckt und sanken dankbar auf die Knie, weil die Brut erst gegen Abend und völlig geplättet wiederkehren würde. Denn es war Schulausflug. Nach Phantasialand, Legoland, irgendeinem Ort, wo sich die Lehrer gepflegt dem Suff hingegeben konnten im sicheren Wissen, das Areal ist wenigstens eingezäunt.
Das Wetter war immer scheisse. Entweder hat es schon gleich morgens geschifft, oder es fing spätestens dann an, wenn man vom Busfahrer am Eingang abgekippt wurde, der sich nach dreimaligem Verfahren und einer unfreiwilligen sightseeing-tour durch die Vororte von Hinterpfuiteufel anschliessend den Lehrern anschloss.
Man stand den ganzen Tag über hauptsächlich an. In der Schlange der Wasserrutsche, der Achterbahn, oder der Pommesbude, weil die an den Rändern bereits einsteinsch gewölbten Wurstbrote mittlerweile das einzige waren, das staubtrocken war. Oder bereits aufgefressen. Anschliessend stand man erst an der Colabude und dann am Scheisshaus an. Es wird gedrängelt wie verrückt.
Gegen vier hat keiner mehr Bock, doch der Kinderwagen kommt erst um sechs, und der Busfahrer will jede freie Minute bis dahin geniessen.
Und während auf der Hinfahrt noch die Ex-Montessori-Kindergärtnerin ein fröhlich Lied zwo-drei-vier durchs Mikro schmetterte, um den düsenjägerähnlichen Lärmpegel irgendwie im Zaum und den Busfahrer vom Massenmord abzuhalten, konnte man auf der Rückfahrt eine Stecknadel fallen hören. Weil alle froh waren, dass der Tag endlich rum war.
Und in der Woche drauf war immer Deutschschulaufgabe mit dem Thema ‚Schreibe über ein interessantes Erlebnis‘.
100 Jahre später.
Du fährst bei 25 Grad und Sonne weg, ab zehn Kilometer vor der Grenze ist Nebel. 24 Stunden Nebel. Nebel, der auf den Autoscheiben kondensiert. Milchreis ist durchsichtig dagegen. Die halb des nachts beim lokalen Bäcker noch erstandenen Brezen sind steinhart, als der Magen knurrt. Du stellst Dich also erstmalig in der Raststätte an, um ein spätes Frühstück zu ergattern, bist aber zu dämlich vorher zu bemerken, dass dies die letzte Raststätte vor der Grenze ist wo jeder, absolut jeder scheinbar noch schnell was essen will.
Das Navi sagt nach dem 30ten Tunnel „hey, gib sofort meine Satelliten wieder her“ und kurz drauf „ach fahr doch hin wo Du willst„, als Du über ein gerade eröffnetes Autobahnteilstück gondelst. Nach der Sonne navigieren ist aber nicht dank Nebel. Die Schilder helfen nicht wirklich. Und Du machst Deine erste sightseeing-tour durch eine vermutlich schöne Gegend, Du siehst ja nix.
Endlich angekommen möchtest Du Dir in der Besprechung abwechselnd Oropax in die Muscheln schrauben bzw, sie mit Druckluft ausblasen, weil Du nur jedes dritte Wort verstehst. Also nickst Du unverbindlich und hoffst, dass die Unterlagen darüber Aufschluss geben, was sie eigentlich von Dir wollen.
Abends willst Du Dich daher nur noch gepflegt dem Suff im Hotel hingeben, aber Du musst Dich erst anstellen. Erst im Fabrikverkauf, denn Deine Einkaufsliste ist länger als Dein Arm. Später dann in der rush hour. Rush hour am Frankfurter Ring ist ein Kindergeburtstag gegen rush hour in der schönen Schweiz, wo eh alles so wirkt als wäre es beim Waschen eingelaufen, auch die Strassen und Kreisverkehre. Erst nach mehreren unfreiwilligen Kreiseln, wildem Gehupe, einer weiteren sightseeing-tour (es ist mittlerweile neblig UND dunkel) und unter Umgehung aller Verkehrsregeln kommst Du im Hotel an. Das Essen ist gut, sobald Du es unter dem Salat gefunden hast. Du spekulierst aufs Frühstück.
Das Frühstück am nächsten Morgen ist … sehr gesund. Du überlegst nur kurz, auf welchem Weg es den Verdauungstrakt der Kuh verlassen haben könnte, und gehst im wesentlichen hungrig zum Kunden, um dafür in absolut unschicklicher Zeit dessen kompletten Vorrat an Schokoladentäfelchen im Besprechungsraum aufzufressen. Und damit das nicht so auffällt, hast Du sämtliche Hosentaschen voller kleiner, mittelmässig pappiger Einwickelpapiere.
Als nach einem USB-Stick gefragt willst Du den einheimischen Kollegen noch schnell warnen, doch zu spät. Er greift in seine Hosentasche, und verteilt eine handvoll bunter Alufolienkügelchen auf dem Parkett.
Du willst nach Hause. Alle anderen auch. Bis auf die LKW-Fahrer. Denn angekommen im Land wo Spätsommer und Sonne ist, biegen sie der Reihe nach ins Grüne ab – vorzugsweise an Stellen, wo Abbiegen nicht vorgesehen ist. Also stellst Du Dich wieder mehrfach an. Ein Schluchtibrummifahrer plärrt im Stau kurz vor Stuttgart aus seinem Führerhaus zu Dir runter und will Autos tauschen. Als Du ihn fragst was er geladen hat sagt er ’24 Rindviecher‘ und Du schreist zurück ‚kann nicht sein, schau Dich um, die sind alle vor uns, Du musst die Tür auf gelassen haben‘.